Nach der Wahl ist vor der Gesundheitsreform

Klinikverbund Hessen benennt Erwartungen an eine zukünftige Regierungskoalition

 |  Wetzlar

Die Gesundheitspolitik und die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung muss nach Ansicht des Klinikverbunds Hessen e. V einen der wesentlichen Schwerpunkte der zukünftigen Regierung darstellen. „In welcher Konstellation auch immer eine Koalition zustande kommt, sie wird in der Gesundheitspolitik – auch unabhängig von Corona – einige wesentliche Entscheidungen zu treffen haben, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland weiterhin auf hohem Niveau zu erhalten und weiterzuentwickeln“, erklärt Clemens Maurer, Vorstandsvorsitzender des Klinikverbunds Hessen. Die Gesundheitspolitik habe im Wahlkampf zwar eine untergeordnete Rolle gespielt, die Gesundheitsversorgung sei jedoch für die Bürger und die im Gesundheitswesen Beschäftigten ein zentraler Bestandteil ihrer Lebensbedingungen und es gebe eine Reihe offener Punkte und Probleme, die für die Zukunft zu klären seien.

Die Menschen, die in der Gesundheitsversorgung arbeiten, wollen endlich spürbar von der in den letzten Jahren zunehmenden Bürokratie entlastet werden, um wieder genügend Zeit für die Patientinnen und Patienten zu haben, anderenfalls bleibt es bei der hohen Aussteigerquote und der Fachkräftemangel verschärft sich weiter“, nennt Achim Neyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Klinikverbunds Hessen, ein Beispiel. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern des Klinikverbunds Hessen bräuchten mehr Flexibilität und Vertrauen in ihre professionellen Entscheidungen und Beurteilungen statt starrer Vorgaben und ständiger Infragestellung ihrer Arbeit durch die Krankenkassen und den Medizinischen Dienst.

Ein weiteres zentrales Thema sei die Krankenhausstruktur und -finanzierung. Die bisherige Strategie - über wirtschaftlichen Druck und als Qualitätsvorgaben verschleierte Selektionsmechanismen Krankenhäuser zu schließen, führe nur zu höheren Kosten und treffe auch die als notwendig erachteten Kliniken. „Wenn der Wasserstand steigt und das Wasser bis zum Kinn steht, stellen sich erst einmal alle auf die Zehenspitzen, um zu überleben. Aber irgendwann müssen doch Rettungsboote her, weil sonst allesamt ertrinken“, stellt Reinhard Schaffert, Geschäftsführer des Klinikverbunds Hessen, bildhaft dar. Es sei auch von Krankenhausseite unbestritten, dass Veränderungen in der Krankenhausstruktur notwendig seien. Dabei gehe es jedoch nicht in erster Linie um Zentralisierung von Leistungen oder die Schließung kleiner Krankenhäuser, sondern um eine regionale, abgestimmte und abgestufte Versorgung. Schließlich seien auch kleinere Krankenhäuser gerade in ländlichen Regionen zur Daseinsvorsorge, für gleichwertige Lebensverhältnisse und als Wirtschaftsfaktor wichtig. Es brauche zunächst klare und gemeinsam abgestimmte Ziele für die Struktur der Krankenhausversorgung sowie definierte Schritte und Wege, um diese zu erreichen. Das sei nicht von heute auf morgen zu machen, sondern ein jahre- oder gar jahrzehntelanger Prozess, den auch die Krankenhäuser und ihre Träger, insbesondere die betroffenen Kommunen, mittragen müssten. „Die Krankenkassen stellen sich gerne als geeignete Gestalter dieser Veränderungen dar, nach dem Motto: Wer zahlt bestimmt. Sie zahlen jedoch nicht selbst, sondern verwalten nur das Geld ihrer Mitglieder. Die Versicherten dagegen gehen auf die Straße, wenn das Krankenhaus vor Ort schließt und wollen lieber weniger Krankenkassen als weniger Krankenhäuser“, stelltSchaffert klar und bekräftigt: „Ohne die entscheidende Mitwirkung der Kliniken und Klinikträger wird eine Reform der Krankenhausstruktur weder die Versorgung verbessern noch Kosten sparen!

Eine Veränderung der Krankenhausstruktur sei zudem untrennbar mit der Überwindung der Sektoren und der ambulanten Versorgung verbunden. Denn stationäre Betten abzubauen bedeute, dass die ambulante Versorgung gestärkt werden müsse und das gehe nur, wenn die Krankenhäuser an der ambulanten Behandlung beteiligt werden. Für die Patientinnen und Patienten sei es ohnehin von Vorteil, wenn sie im Krankenhaus aus einer Hand und je nach individuellem medinischen Bedarf ambulant, teilstationär oder stationär versorgt werden könnten. „Nach wie vor kommen Menschen im Notfall oft zunächst in die Krankenhausambulanz, statt den ärztlichen Notdienst aufzusuchen – auch wenn die Behandlung am Ende ambulant bleibt; das zeigt ein hohes Vertrauen in die gute Versorgung durch das Krankenhaus und die dort Beschäftigten“, meint Schaffert. Dies und die bereits bestehenden erfolgreichen Kooperationsmodelle müssten auch bei der ebenfalls anstehenden Weiterentwicklung der Notfallversorgung berücksichtigt werden.

Hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung bedürfe es nach Ansicht des Klinikverbundes ebenfalls weiterer Reformschritte. „In erster Linie braucht es eine ausreichende Finanzierung der Investitionen: Entweder müssen die Länder verpflichtet werden, der Investitionsförderung endlich voll-umfänglich nachzukommen oder der Bund beteiligt sich daran“, betont Maurer. Die in den letzten beiden Legislaturperioden durch den Bund bereitgestellten Mittel des Struktur- und Zukunftsfonds seien ein erster, wenn auch sehr bürokratischer Schritt zu einer ergänzenden Bundesfinanzierung. Angesichts der investiven Herausforderungen, beispielsweise bei der Digitalisierung, sei dies jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Eine leistungsorientierte Vergütung wie über die DRG-Fallpauschalen werde zwar weiterhin grundsätzlich befürwortet. Allerdings zeigten die letzten Jahre und insbesondere die Pandemie-Situation die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung und Ergänzung. Die Krankenhausfinanzierung müsse insgesamt so ausgestaltet werden, dass die Kosten des Krankenhauses nicht nur durch permanente Leistungssteigerungen auskömmlich gedeckt seien und auch bei Leistungseinbrüchen, wie während der Pandemie, eine gewisse Sockelfinanzierung der Vorhaltekosten gegeben sei.

Der Koalitionsvertrag der nächsten Regierung müsse diese und weitere gesundheitspolitische Themen angehen sowie Lösungen und Wege dazu aufzeigen. „Als Klinikverbund Hessen stehen wir dazu mit unserer Expertise und praktischen Erfahrung in der hessenweiten Krankenhausversorgung durch die öffentlich getragenen Krankenhäuser aller Versorgungsstufen und Leistungsbereiche gerne den Beteiligten beratend zur Seite,“ betont Schaffert. Die Verantwortlichen und Beschäftigten der Krankenhäuser im Klinikverbund Hessen seien auf die Ergebnisse gespannt. „Denn wir werden unter anderem bei unserem Kongress ‚Zukunft Gesundheit am 16. Februar die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen eingehend diskutieren und bewerten. Wir laden alle ein, sich daran zu beteiligen“, so Schaffert.

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