Jenseits des Tellerrandes

Auf dem Kongress #ZukunftGesundheit2019 hielt Reinhard Schaffert einen Vortrag darüber, was wir aus Physik, britischer Kolonialverwaltung und Science-Fiction für das Gesundheitssystem lernen können.

 |  Wiesbaden

Liebe Ärzte, Pflegekräfte, Manager, Gesundheitspolitiker und Krankenkassenmitarbeiter: Heute sehen wir mal über den Tellerrand. Wir sehen uns Physik, die britische Kolonialverwaltung und Science-Fiction an, um etwas über die Gesundheitspolitik zu lernen:

Physik

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sagt aus, dass die Entropie eines geschlossenen Systems nicht abnehmen kann. Vielmehr strebt das System den Zustand höchst möglicher Entropie an. Entropie wird oft mit Unordnung übersetzt, was es nicht ganz trifft. Entropie ist eher ein Zustand der Komplexität. Nur mit gezielter Zufuhr von Energie kann ein System vereinfacht werden. Aber die Energie muss gezielt für die Vereinfachung eingesetzt werden. Ungezielt Energie in das System zu stecken, erhöht die Entropie nur.

Britische Kolonialverwaltung

Ein britischer Soziologe namens C. Northcote Parkinson hat die These aufgestellt (Parkinsonsches Gesetz), dass sich Verwaltung immer und auf Kosten der zu verwaltenden Inhalte vermehrt. Anhand der britischen Marine hat er nachgewiesen, dass die Marineverwaltung immer weiter anwuchs, obwohl der Marinebestand (Schiffe und Matrosen) immer weiter abnahm.

Science-Fiction

Der polnische Science-Fiction-Autor Stanislav Lem lässt seine Figur, den Raumpiloten Pirx, in der Erzählung „Ananke“ den Absturz des, von einer künstlichen Intelligenz gesteuerten Raumfrachters „Ariel“ auf dem Mars als Beobachter miterleben. In der anschließenden Analyse der Katastrophe entdeckt Pirx, dass die Künstliche Intelligenz durch einen zwangsneurotischen Programmierer daraufhin trainiert wurde, ein Maximum an Kontrolle auszuüben. In der Endphase der Landung hat die ständige Kontrolle des aktuellen Zustandes den Computer so überlastet, dass für die Steuerung keine Kapazität mehr vorhanden war.

Und das Gesundheitswesen

Die Entropie des Systems Gesundheitswesen wird durch immer weitere Regularien und Gesetzgebungen (Energie) erhöht. Das Gesundheitssystem wird also immer komplexer, ohne dass die in es hineingesteckte Energie für eine Vereinfachung verwendet würde. Im für die Qualität der Leistungserbringung zuständigen Abschnitt des Sozialgesetzbuches V (SGB V) wurden in den letzten Jahren so viele Ergänzungen vorgenommen, dass langsam die Buchstaben für die bei § 137 SGB V eingeschobenen Paragrafen ausgehen.

Mindestens im gleichen Maße wuchs und wächst die Anzahl der Mitarbeiter, die sich innerhalb und außerhalb des Krankenhauses nicht mit Patienten, sondern mit Formalien beschäftigen. Nur beispielhaft seien hier Medizincontroller und Kodierer, Case Manager, Entlassmanager, Hygienebeauftragte, MDK-Mitarbeiter usw. genannt. Das besonders Schlimme daran ist, dass ein Teil dieser zunehmenden Verwalter eigentlich eine Qualifikation für die Patientenversorgung hat.

Und nicht zuletzt nehmen auch die Nachweise und Kontrollen stetig zu, deren Bearbeitung weitere Ressourcen aus der Patientenversorgung entzieht – bis es dem Gesundheitswesen einmal so ergeht, wie dem genannten Raumfrachter Ariel.


Vortragsfolien (pdf)

Ihr Browser ist veraltet!!!

Leider kann die Seite mit Ihrem Browser nicht optimal dargestellt werden

Bitte laden Sie die aktuelle Version von Chrome oder Firefox herunter.