Referentenentwurf zur Notfallversorgung

Das Bundesgesundheitsministerium hat mit Datum vom 08.01.2020 einen Referentenentwurf zur Notfallversorgung veröffentlicht.Der Klinikverbund Hessen e. V. gibt hier eine erste Übersicht und Bewertung

 |  Wetzlar

Wesentliche Inhalte

  • Gemeinsames Notfallleitsystem (GNL)
    • Technische und organisatorische Verknüpfung von Rettungsleitstelle und KV-Notfallnummer
    • Einheitliches standardisiertes Triagesystem
    • Umfassende Kooperation zwischen Leitstellen und KV
    • Finanzierung über Pauschale je Hilfesuchendem
  • Rettungsdienst als GKV-Leistungsbereich
    • Definition als eigenständiger Leistungsbereich
    • Differenzierung von Notfallleistung und Transportleistung
    • Gesonderte pauschale Vergütung von Notfallleistung und Transport durch GKV
    • Disposition durch GNL gilt als entsprechende Verordnung
    • Datenaustausch und ggf. telemedizinische Unterstützung
  • Integrierte Notfallzentren (INZ)
    • Durchgehende 24/7 Notfallversorgung
    • Festlegung der Standorte an KH mit mind. Basisnotfallstufe durch erweiterten Landesausschuss
    • Gemeinsame Einrichtung von KH und KV
    • Sicherstellung durch KV
    • Fachliche Leitung bei KV
    • Vergütung durch Grundpauschale und Pauschale je Fall
    • 50% Abschlag bei amb. Notfallbehandlung im Krankenhaus ohne INZ
  • Erweiterter Landesausschuss als Planungsgremium
    • 1 Vorsitzender, 2 Unparteiische und je 9 Vertreter von GKV, KV und KH;
    • Land beratend mit Antragsrecht
    • Stimmgewicht der GKV verdoppelt
    • Festlegung der Standorte an KH mit mind. Basisnotfallstufe entsprechend G-BA Vorgaben
    • Bei Nichteinigung Ersatzvornahme durch das Land
  • Rahmen- und Qualitäts-vorgaben durch den G.BA
    • Richtlinie mit verbindlichen Planungsvorgaben:
      • Erreichbarkeit
      • Betroffenheitsmaß
      • Bevölkerungsdichte
    • Ausnahmetatbestände
    • Qualitätsvorgaben
      • räumliche, personelle und apparative Ausstattung
      • Triagesystem
      • Versorgungsumfang

Bewertung

Gemeinsames Notfallleitsystem (GNL)
  • Ein Gemeinsames Notfallleitsystem (GNL) in Verbindung mit einer standardisierten telefonischen Ersteinschätzung  können die sachgerechte Patientensteuerung deutlich verbessern
  • Allerdings sind GNL freiwillig (nur auf Verlangen des Trägers der Leitstelle)
  • Hier ist der Entwurf nicht ganz schlüssig, da weitere Regelungen, z.B. im Konzept der Notfallrettung, sowie die Vergütung sich teilweise auf das Vorhandensein von GNL beziehen
  • Inwieweit die Träger der Leitstellen bereit sind, den Status Quo zu verändern und inwieweit tatsächlich entsprechende Kooperationen mit der KV zustande kommen, erscheint unsicher
  • Eine standardisierte telefonische Ersteinschätzung ist für eine sachgerechte Patientensteuerung sinnvoll
  • Die Gleichsetzung der Disposition durch ein GNL (aber leider nur dadurch) mit einer Transport-Verordnung ist sinnvoll
Rettungsdienst als GKV-Leistungsbereich
  • Die Einführung der Notfallrettung als eigenständigen Leistungsbereich ist sinnvoll
  • Die Differenzierung der Abrechnung in der Notfallrettung in medinischen Maßnahmen und Transport ist sinnvoll und erspart ggf. Transporte ohne medizinische Indikation
  • Datenaustausch und datengestützte Disposition sowie telemedizinische Unterstützung sind sinnvoll
    • Datenschutz und Datensicherheit müssen gewährleistet sein
    • Ob die Telematikinfrastruktur irgendwann geeignet ist und dies erfüllt, bleibt abzuwarten
Integrierte Notfallzentren (INZ)
  • Die Verpflichtung zur notdienstlichen Versorgung täglich und rund um die Uhr ist richtig und ist im Krankenhaus gelebte Praxis
  • Angesicht der aktuellen Notdienstversorgung und dem Hausärztemangel in bestimmten Regionen erscheint fraglich, ob die KV in ihrer Verantwortlichkeit die INZ adäquat besetzen kann und warum der Sicherstellungsauftrag dort verbleibt
  • Die fachliche Verantwortung wäre statt bei der KV besser beim Krankenhaus angesiedelt, da hier Ärzte mit entsprechenden Qualifikationen (z. B. Notfallmedizin) und auch anderes qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen und Synergien genutzt werden könnten
  • Daher erscheint auch die organisatorisch und wirtschaftlich eigenständige Konstruktion eher Parallelstrukturen und Mehraufwand zu schaffen
  • Es bleibt ungeklärt, inwieweit die INZ auf Ressourcen des Krankenhauses (medizinisch: Labor, Radiologie usw.; administrativ: Abrechnung, Controlling usw.) zugreifen kann bzw. ob entsprechende vertragliche Regelungen möglich sind und die Leistungen finanziert werden
  • Vergütung außerhalb der KV-Gesamtvergütung und in pauschaler Form erscheint sinnvollDie Vergütung muss die durch den G-BA vorgegebenen Leistungsinhalte in einem sicher ausreichendem Maß refinanzieren
  • Aus Krankenhaussicht kommt der 50% Abschlag bei Notfallleistungen außerhalb der INZ einer Enteignung gleich und ist daher vehement abzulehnen
    • Krankenhäuser sind zur Notfallversorgung verpflichtet
    • Patienten die in die Ambulanz kommen, müssen daher versorgt werden
    • Aus Patientensicht ist das Krankenhaus (mit oder ohne INZ) das letzte „Netz“ in der Notfallversorgung, wenn alle anderen Bereiche versagen
    • Das ausweislich der Begründung verfolgte Ziel der Patientensteuerung wird verfehlt, da das Krankenhaus relatv wenig einfluss auf die Inanspruchnahme seiner Ambulanz durch die eigeninitiative von Patienten hat
    • Daher wird mit dem Abschlag lediglich das Krankenhaus bestraft, überhaupt Nothilfe geleistet zu haben
Erweiterter Landesausschuss als Planungsgremium
  • Die Planung von für das Krankenhaus relevanten Leistungseinheiten durch einen erweiterten Landesausschuss ist aus Krankenhaussicht abzulehnen
  • Kassen haben durch doppeltes Stimmgewicht bereits alleine mehr Stimmen, als die Krankenhausseite
  • Gemeinsam mit Vorsitzendem und unabhängigen Mitgliedern oder gemeinsam mit der KV kann die Krankenhausseite jederzeit überstimmt werden
  • Das Land hat abgesehen vom Antragsrecht keinerlei Mitbestimmungsmöglichkeit.
  • Die Ersatzvornahme greift vermutlich nicht, da Kassen sich voraussichtlich leicht eine Mehrheit beschaffen können
  • Sinnvoller wäre eine Landesplanung nach den Kriterien des G-BA
Rahmen- und Qualitäts-vorgaben durch G.BA
  • Grundsätzlich sind bundesweite Planungskriterien sinnvoll
  • Auch die einheitliche Definition der Ausstattung und Leistungen ist nachvollziehbar
    • Sie muss allerdings durch die Vergütung voll finanzierbar sein
  • Insgesamt sind die Richtlinien ein Unsicherheitsfaktor, da Mehrheitsverhältnisse und Interessen im G-BA den Krankenhäusern eher entgegenstehen

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